Mit ‘The Life and Death of a Male Body’ getaggte Beiträge

The Rumour Said Fire, Jazz House, 5.5.2010

Heute gaben The Rumour Said Fire ihr zweites von drei ausverkauften Konzerten im Jazz House. Da ich verhindert bin, hat sich Thorben selbstlos bereit erklärt, dort hinzugehen und einen Gastbeitrag zu schreiben.

Mittwochabend. Der Abschluss einer komplizierten, arbeitsintensiven Arbeit für die Uni liegt in greifbarer Nähe. Noch schnell runter in die Küche und einen Kaffee machen. Instantkaffe muss reichen. Das Wasser ist kurz vorm Kochen, da höre ich einen jämmerlichen, herzzerreißenden Schrei. Was mag das sein? Es kommt aus dem Fernsehzimmer. Ich lasse alles stehen und liegen und stürze herein – auf das schlimmste gefasst. Da liegt Christoph mit schmerzverzerrtem Gesicht sich windend auf dem Sofa. Die eine Hand in deinen Rücken gestemmt, die andere umklammert sein Telefon. Er ächzt und stöhnt. Nur zwischendurch sind ein paar Worte zu verstehen: „Rücken!“ „Konzert“ „Schmerzen“, „Rücken“ „Konzert“ „Mein Blog“. Ich versuche ihn zu beruhigen.

Nach einer Weile gelingt es mir, herauszufinden was los ist. Er hat Hexenschuss – kann passieren, man ist ja keine 21 mehr. Und nach dem 25. Lebensjahr soll‘s ja bergab gehen, da kommt auch ein JCH nicht drum herum. Aber was ihm noch mehr zu schaffen macht: Heute Abend ist ein Konzert von der Band, die er eigenohrig entdeckt hat. Nachdem sie groß geworden sind, haben sie ihn links liegen gelassen. So ist die Jugend von heute, egoistisch und undankbar. Aber Christoph lebt für die Musik, er war trotz alledem auf fast allen ihren Konzerten. Auch wenn er ab und zu sogar für die Karten bezahlen musste. Hier geht’s um die Musik und für sie gibt Christoph alles.

Dass darüber hinaus noch „drei sexy Frauen“[Zitat JCH], die er niemals zuvor getroffen hat, vor dem Eingang auf ihn warten, erwähnt er nur nebenbei und das interessiert Christoph auch gar nicht, für ihn geht’s nur um die Musik. Er fleht mich an, für ihn dahin zu gehen, für einen Eintrag in sein Blog, für seine Fans. In einer halben Stunde geht’s los.

Was kann man in so einer Situation tun? Für mich steht fest: In dieser schweren Stunde muss ich Christoph beistehen. Also vervollständige ich meine Arbeit in Rekordtempo (wahrscheinlich hat mich das den ein oder anderen Punkt gekostet, aber was soll’s?) und mach mich auf zum Konzert, auf zum Jazz House, auf zu The Rumour Said Fire.

Vor dem Eingang warten tatsächlich drei nette Mädchen. Sexy? Nicht unbedingt aber eine Eintrittskarte haben sie für mich. Aber sie wirken ein wenig enttäuscht. Man sieht ihnen deutlich an, dass sie jemand anderes erwartet haben – Christoph. Sie nehmen mich trotzdem mit rein.

Drinnen steht die Vorband schon auf der Bühne. Auf den Weg nach unten, bevor wir durch die Glastür in den Konzertsal kommen, kommt uns jemand entgegen und flüstert uns zu, dass wir leise sein sollen. Beim eintreten hört man weshalb. „Meget skrøbelig musik” [Anm. d. Red.: „sehr zerbrechliche Musik“] wie Ditte, eine meiner Begleiterinnen, es sehr passend formuliert.

Auf der Bühne stehen zwei Mädchen im besten dänischen efterskole-look [Anm. d. Red.: Hippieschule nach dem Gymnasium, wo man nicht viel lernt, außer für das Leben]: zotteliges Haar, ein wenig schüchtern, barfuß und natürlich mit akustischer Gitarre. Das Publikum ganz leise; die Hälfte sitzt vor der Bühne auf dem Boden, einige dahinter an den wenigen Tischen, ganz hinten Richtung Bar stehen die Restlichen. Viele stilsicher in der neuesten Emo-Mode mit achtziger Frisur a la Vanilla Ice mit zotteligen Locken…

Vanilla Ice: Der erste Emo?

Unterdessen stimmten Kirsten und Marie – die beiden Mädchen auf der Bühne – ihren My Dear an. Als ich sie „How much I love you“ singen höre, war mir dann auch klar, dass auch sie auf Christophs Ankunft gewartet haben. Nach diesem Lied gingen sie enttäuscht von der Bühne.

Nach einer relativ kurzen Pause kam dann der Hauptact des Abends auf die Bühne. Was die Leute, die davor saßen, allerdings auch nicht von ihren Plätzen riss. Der erste Song – tja Christoph, die Namen der Songs habe ich mir leider nicht notiert, ärgerlich – fing ganz gut an. Gute Mischung aus ein bisschen wilderem Rock und dem mehr melodischen Stil, für den sie bekannt sind. Eine positive Überraschung, da ich mich mehr auf die ruhigen Nummern eingestellt habe. Die nächsten drei Lieder waren dann aber nicht mehr so überzeugend. Auch mehr der härtere Stil, allerdings weniger melodisch und die Gitarren und besonders das Schlagzeug zu laut (dem Drummer hat der Stil aber sichtlich am besten gefallen). Da ging Jespers Stimme unter und die Songs klangen ein wenig eintönig. Gute Gelegenheit, Platz für das nächste Bier zu machen.

Als ich zurück kam, hörte gerade der vorerst letzte Song dieser Stilrichtung auf und The Balcony wurde angestimmt, was die Zuschauer hörbar erfreute. Was die Bodensitzer allerdings immer noch nicht von ihren Sitzplätzen riss. Passend für die Vorband, für eine Band allerdings, die nicht nur Balladen spielt, vielleicht ein bisschen enttäuschend…

Mit den folgenden Nummern wurde wieder mehr auf Melodie und Gesang gesetzt, was von dem Großteil des Publikums begrüßt wurde. Abgeschlossen haben sie mit Dance. Als erste Zugabe gab‘s ein Solo von Jesper. Das hätte Christoph gefallen. Der letze Song war dann Evil Son. Ein guter Abschluss.

Insgesamt ein gutes Konzert. Aber du hast sie ja schon ein paar Mal gesehen, Christoph. Und nächstes Mal bist du wieder dabei.

Nach dem Konzert wollten die „drei Sexy Frauen“ mich noch mit zu sich nach Hause nehmen – Flaschendrehen. Aber ich konnte leider nicht. Christoph konnte ja in seinem Zustand nicht alleine gelassen werde. Außerdem konnte ich ihnen ansehen, dass sie lieber ihn mitgenommen hätten…

[Anm. d. Red.: Vielen lieben Danke für den Gastbeitrag, Thorben. Auch wenn Dein Stil sehr nach´90er klingt; sehr Pop, das. Dafür aber um Längen schneller als ich. Ich sag bescheid, wenn ich wieder „Rücken“ habe.]

The Rumour Said Fire: The Life and Death of a Male Body (A:larm), VÖ: 21.9.2009

The Rumour Said Fire-Releaseparty im Jolene, 24.9.09

rumoursaidfirecoverDie großartige EP von The Rumour Said Fire hätte ein besseres Releasekonzert verdient, doch das Debut der Kopenhagener wird sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land und darüber hinaus verbreiten und kein Regen wird es löschen können.

Der Herbst hält endgültig Einzug in Kopenhagen. Ein dunkler, kalter Donnerstagabend. Es gießt in strömen und es wird wohl die nächsten Wochen so bleiben – aber „your mouth taste like sunshine“, denn The Rumour Said Fire feiern heute die Releaseparty ihrer EP im Jolene.

Seit Liedschreiber und Sänger Jesper Lidang mit dem Gitarristen Søren Lilholt, dem Bassist Kasper Nissen und Schlagzeuger Christian Rindorf im Maj 2008 das erste Mal zusammen die Bühne betraten, hat sich das Gerücht dieser Band in kürzester Zeit wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitet. Und nun soll das Gerücht mit ihrer EP The Life and Death of a Male Body, die am 21. September erschien, also Bestätigung finden.
Laut der Band beschreibt ihre Musik Ausnahmesituationen, den Zustand zwischen dem Moment, in dem ein Gerücht entsteht und dem, wo sich dieses Gerücht entweder be- oder entkräftet.

Das Jolene in Kødbyen, dem alten Schlachtereiviertel befindet sich momentan im Zustand der Bestätigung. Diverse Bands haben im letzten Jahr ihre Veröffentlichungen hier gefeiert und so gemütlich der Laden im Alltag auch ist, so schlecht ist hier der Sound. Die knapp 200 Menschen, die sich hier heute versammelt haben, tragen das ihre bei – das Konzert ist eine Schweißtreibende Angelegenheit. Dicht gepackt bis zum Ausgang drängeln sich die Schaulustigen. Sie hängen noch im Nieselregen draußen am Fenster, als die Band um 21:30 die Bühne betritt. Und einige Fotografen, die verzweifelt versuchen anzunehmendes Bildermaterial durch die Scheibe zu knipsen, werden wohl Ärger mit ihren Arbeitsgebern bekommen.

Die Lieder, eigentlich wunderschöne Beschreibungen, in der die Alltagswelt des permanenten Ausnahmezustands verarbeitet wird, angereichert mit Simon and Garfunkel-Harmonien, Lalalas und Ahs und Ohs, gehen im allgemeinen Soundmatsch unter. The Post Mortem Makes Us Man war wohl irgendwann zu hören. Ansonsten kommt da von irgendwoher ein coldplayartiges Riff.

Entspanntes Warten auf die Verbreitung des Gerüchts

Warten auf die Verbreitung des Gerüchts

Ah, der vierte Song ist zu erkennen; Evil Son als zweites Lied auf der Platte die Abrechnung eines Sohnes mit seinem Vater, nur um zu entdecken, dass er selbst ihm nacheifert, und das ganze inmitten eines gnadenlosen Krieges: „Among the doctors and the killers and the bombs in a broken artillery / I’m still learning to read“. Wieder der Ausnahmezustand, den The Rumour Said Fire immer in einer konkreten alltäglichen Situation beginnen lassen.

So auch das nächste Lied – The Balcony, Opener der EP – das vom kopenhagener Publikum überschäumend gefeiert wird. Die Leute bewegen sich sogar ein wenig, tanzen schon fast, was in Dänemark nichts Alltägliches ist. The Balcony beginnt ganz sacht mit einer akustischen Gitarre, dann die Mundharmonika, das Bild des Liebespaares, auf dem Balkon stehend, es wird gewaltsam zerstört: „And the scent of your heartache, baby, and the taste of your blood, run within me / And there are red flowers in your spit when you enter my mouth under the bed / Down on the floor.” Vom Balkon aus sieht das lyrische Ich die Schulkinder, verloren in einer menschenfeindlichen Ausbildungsmaschenerie, „Take me back to the retards; cause the world just make me sick“ – vielleicht ist nur hier, bei den Verrückten, Normalität zu finden.

Die restlichen vier Lieder des Abends, darunter das fabelhafte Dance, gehen über die Boxen verloren und, nein, dazu wurde nicht getanzt, denn Danes don`t dance. Und ich verlasse bald – die Wolkendecke, nun aufgerissen, entblößt einen Pechschwarzen Himmel – das Jolense, um ein schlechtes Konzerterlebnis und eine großartige EP reicher. Das Gerücht wurde bestätigt: In Kopenhagen brennt es lichterloh und das Feuer wird sich auf die umliegenden Länder ausbreiten, wenn im Frühling das erste Album erscheint.

„There’s a band in our cellar, baby, and they’re / Playing a song of the drunks in the street / And I can hear when they’re playing their love songs cause the / Kids in the yard stop playing with their toys“

The Rumour Said Fire auf Myspace