Mit ‘slowsharkrecords’ getaggte Beiträge

Sothern Gothic Tales @ Huset, 9.04.2011

Bevor das nächste Wochenende anbricht, sollte ich ja noch schnell mein Konzerttagebuch weiterführen. Nach dem Konzerthopping am Freitag ging es weiter. Erst wieder auf Kødbyen, wo das Start! Festival Programmrelease hielt und dann aufs Huset, wo Southern Gothic Tales sich für ihre zweite LP feiern ließen.

Das Start! Hat gerufen und alle sind sie da. Naja, einige sind da. Zum Programm darf man sagen, dass ich sehr glücklich damit bin. Neben Lis Er Stille – die eine Überraschung sind, weil sie bereits zwei Platten veröffentlicht haben und das Festival eigentlich für Newcommer ist – spielen auch Dreamjockey und Leap Over Light. Letzter haben gerade sehr gute Kritiken für ihre Demo bekommen und erinnert euch doch bitte, wo ihr sie das erste Mal gehört habt. Ja, genau! Hier.

Dass Leap und Dreamjockey gleichzeitig spielen? Ja, nicht ganz so glücklich.

Danach gings weiter in die Innenstadt zum Huset i Magtsræde. Southern Gothic Tales gehen erst um 10 auf die Bühne und Anders Riis will erst nach dem Konzert ein Interview geben. Zeit für uns ins Parterre zu gehen. Hier feiern gerade die Sozialisten eine Party und man darf – ganz solidarisch – bezahlen, was man will. Wir bezahlen nichts; sind ja Journalisten. Zu meiner Freude geht just in den Moment, wo wir unten sind, Mixtune For Cully an die Instrumente. Ich wollte Aage Hedensted, der im Oktober 2008 die erste Platte „We know Where The Aircrafts Hide” rausgegeben hat, immer schon mal live sehen; und da er in Aarhus wohnt, kommt er eher selten in die Stadt der Könige. Der Sound auf der improvisierten Bühne war allerdings mies, aber nach einer Weile haben wir den Happy Spot gefunden. Also: Sozialisten haben die beste Mucke, aber den schlechtesten Sound. Word!

Aber das war ja alles nur ein kurzer Abstecher. Wir sind hier wegen den Tales, die oben im Musikcafen spielen, und als wir um kurz vor Zehn da sind, sind sie auch schon auf der Bühne und spielen Where Everybody Drown. Bassist Moogie Johnson, war gestern wohl noch etwas länger im KB18 und trägt die absolut, wirklich absolut dümmste Sonnenbrille. Huset ist hier oben etwas leer, aber die Stimmung ist gut und konzentriert und die Band spielt großartig. „Es ist schwierig, so deprimierende Songs zu spielen, wenn man eigentlich so gut gelaunt ist“, sagt Riis irgendwann.

Während die erste Platte „In Every Seaport Town“ von der Flucht aus der Kleinstadt handelt, ist der Nachfolger „Modern Man“ eher von einer Art innerem Eskapismus geprägt und vielleicht auch eine Studie übers Saufen in der Großstadt. Ich hoffe, demnächst eine Review zu bringen. Als wäre diese Band nicht an sich schon gut genug, gesellen sich noch irgendwann Frederik Thybo (CODY) mit seiner Violine und Camilla Munck (Munck//Johnson) mit ihrer tollen Stimme zu den fünf Musikern. Und mehr möchte ich erstmal gar nicht erzählen. Wie gesagt: Eine Plattenkritik kommt wohl demnächst.

Giv Din Hånd-Solidritätskonzert für Obdachlose, Pumpehuset, 4.2.2010

In Zusammenarbeit mit der Obdachlosenzeitung Hus Forbi und dem kleinen Indie-Label Slowsharkrecords veranstaltet die private Hilfsorganisation Giv Din Hånd (Gib Deine Hand) ein Solidaritätskonzert für Obdachlose. Und das scheint bitter nötig in einem Land, welches aufgegeben hat, sich um die Schwachen in der Gesellschaft zu kümmern.

Wir stehen im leichten Schneetreiben vor dem Pumpehuset. Es ist ziemlich mild heute Nacht, vielleicht minus 4 Grad. Diesen Monat hat das Thermometer auch schon bis zu minus 14 angezeigt. Von hier sind es ungefähr fünf Minuten durch die Nacht bis zum dänischen Parlament. Sozialminister Karen Ellemann hat sich vor kurzem geweigert, mit privaten Organisationen, die den 5000 Obdachlosen in Dänemark Herberge und Essen bieten, in Dialog zu treten – Ob es gerade etwas Wichtigeres gibt im kältesten Januar seit 23 Jahren?

Jimmy Kolding und Michael Espersen gründeten im Sommer 2009 die Nonprofit-Organisation Giv Din Hånd und an diesem Donnerstag veranstalten sie zusammen mit Hus Forbi und Slowsharkrecords ein ausverkauftes Konzert mit einem fantastischen Lineup: The Rumour Said Fire, Cody, Munck//Johnson, Homesick Hank und vier weitere Bands sind angetreten, um auf die schwierige Situation draußen auf den Straßen hinzuweisen. Auf zwei Bühnen bekommt jede Band ein halbe Stunde, was unglaublich angenehm ist; niemals wird es langweilig und sollte eine Band spielen, die man nicht mag, geht man sich eben schnell ein Bier am Tresen holen.

Am Montag waren die Musiker selbst auf der Straße, um die Obdachlosenzeitung Hus Forbi an den Mann zu bringen. Eine Erfahrung, von der alle Künstler im Gespräch sagen, wie prägend sie war und teilweise auch ein beschämender Augenöffner, da die Reaktionen der Passanten sie an sich selbst erinnerte.

Auch hier ein Lächeln: Highway Child-Sänger Patrick Heinsøe wartet geduldig auf das Ende eines Gitarrensolos.

Der musikalische Höhepunkt des Abends war – und das war zu erwarten – die frischgebackenen Preisträger von The Rumour Said Fire. Vor nicht mal fünf Monaten der breiten Öffentlichkeit noch vollends unbekannt, ist ihre Single The Balcony schon jetzt der Hit des Jahres und ich bin nicht oft auf Konzerten, wo das Publikum jede Zeile mitsingen kann.

Und sonst? Cody spielen ein großartiges Set, haben aber mit einem miesen Sound zu kämpfen, in dem der Bass alles überrollt. Homesick Hank überrascht positiv; auf der letzten Platte Ghosts etwas langweilig, spielen sie heute ein sehr schönes Konzert, dass mich dazu bringt, der LP doch noch eine Chance zu geben. Den Metal-Bluesrock von Highway Child hingegen werde ich wohl niemals zu Hause auflegen. Sie schließen ein tolles Konzerterlebnis vor vielleicht noch zwei Dutzend Menschen aber würdig, passend und mit endlosen Gitarrensolis ab und wir haben noch einen Whisky in der Hand, bevor es wieder rausgeht in den dänischen Winter.

Das Schlußwort möchte ich Bjørn geben, einem Obdachlosen, der uns ein Interview für unsere Reportage gegeben hat: „Wenn du kein Geld geben willst, dann gib mir wenigstens ein Lächeln. Mich lächeln viele Leute an, viele hübsche Mädchen.“

PS: Eine Musik-Compilation zur Aktion gibt es auf der Giv Din Hånd-Hompage (gratis) zum downloaden.




Konzertreportage auf Dänisch. Erstmals gesendet am 08.02.2010 auf XFM, Se Tschörmans. Von Jan Hinnerk Petersen und Jan Christoph Hajek. Schnitt und Zusammenstellung: Jan Hinnerk Petersen und Jan Christoph Hajek.

Cody-releaseparty im Huset i Magstræde, 12.9.2009

Der Winter in Kopenhagen ist nass, der Frühling weckt auch keine großen Hoffnungen, der Sommer ist meist, bis auf sieben, acht Wochen, eine Zumutung. Nur der September gibt einem noch mal die Lust aufs Leben, bevor man sich endgültig daheim verkriecht, um auf das nächste Jahr zu warten.

Huset i Magstræde im Herzen Kopenhagens hat sich diese Tage nochmal schick gemacht. Vor dem Café im Parterre ist der rote Teppich ausgerollt. Tuborg und Pilsener Urquell gibt es gratis für das durstige Publikum, das sich schon jetzt, am Nachmittag eines spätsommerlichen Tages, hier einfindet und es sich in den Sofas und auf der Treppe gemütlich macht, um mit Cody die Veröffentlichung ihres ersten Longplayers Songs zu feiern.

Auftakt

Kristoffer August und Andreas Fuglbæk von August & The Red Apples

Kristoffer August und Andreas Fuglbæk von August & The Red Apples

Während der Frontmann Kasper Kaae von Grüppchen zu Grüppchen eilt, um Hände zu schütteln, Glückwünsche entgegenzunehmen und sich auf die Schulter klopfen zu lassen, stimmen Kristoffer August und Anders Fuglebæk von August & The Red Apples ihre Gitarren, um Kaaes Meet and Greet musikalisch zu begleiten – „Adventurous / We´re babies hungry for it all / Life and love“, ein neue Platte, als Nachfolger von der wundervoll verträumten From Under The Sun ist noch für dieses Jahr geplant.

Nach einer Handvoll halbakustisch vorgetragenen Liedern, köpft Kaae eine Flasche Champus (In Dänemark wird jede Form von Sekt Champagner genannt) und bittet das Publikum, eine gelungene Mischung aus Fans, Freunden und Journalisten, sich doch langsam auf den Weg ins musikcaféen in der dritte Etage zu machen, wo erst Cody performen soll, um danach die Bühne für einige andere Bands freizugeben, die Coverversionen und Remixe der Songs präsentieren.

Hauptgang
Es ist das fünfte Mal, dass ich Cody dieses Jahr live sehe und ich habe mir geschworen, dass es vorerst das letzte Mal gewesen sein soll. Doch noch nie waren sie so gut, wie an diesem Abend! Um halb Acht neben Come On Die Young die Bühne ein und nach gerade einmal einer halben Stunde und fünf Songs hinterlassen sie, ohne Zugaben zu spielen, ein restlos begeistertes Publikum.

Line Felding von Cody

Line Felding von Cody

Schon das erste Lied, Another Year, wirkt so intensiv und nachhaltig, wie noch nie zuvor: „Honesty / We lost in in the Poetry / Hanging from the tree / Still we crawl / Into Catastrophe / To be happy”. Was immer die Worte auch bedeuten mögen, aus Kaaes Mund wirken sie prophetisch und bedeutungsschwer. Der Harmoniegesang bewirkt den Rest und was am verblüffendsten ist: Sie reden miteinander! In der letzten Zeit wurde oft darüber gesprochen, dass Cody nicht mehr als eine Begleitkapelle für Kasper Kaaes Ego sei, doch was sie heute auf der Bühne zeigen, zeugt von einer homogenen Band, die einfach Lust hat, zusammenzuspielen und das Publikum zu unterhalten. What She Sees ist von der EP bekannt ebenso wie das dritte Lied Make Your Return, welches laut Setlist eigentlich Catch The Straw sein sollte, aber „Setlist? Setlists sind überschätzt“, wie der Drummer weiß. Die letzen beiden Lieder Ever Go und A Crime, die etwas aus dem Rahmen des Albums fallen, von denen das Musikmagazin Gaffa aber merkwürdigerweise schreibt, dass sie „[…] ideelle Stellen für neue Zuhörer zum anfangen“ seien, reihen sich nahtlos ein und beschließen Codys kurzen Auftritt.

Nachschlag

Troels Høegh von The Ondt and the Gracehoper

Troels Høegh von The Ondt and the Gracehoper

Hier nach betreten Twins Twins die Bühne, die ihre Débutplatte Until Dawn am 12. Oktober auf die Welt loslassen. Da die Welt dadurch aber nicht unbedingt eine bessere wird, verbringe ich die Zeit damit durchzuatmen und mir ein Bier zu besorgen, komme hier ins Gespräch mit einem Mann namens Anders Thrane. Auch seine erste Platte, Ildsjaelen, erscheint dieser Tage; am 15. Oktober ist Releasparty in Operaen in Christiania.

Weitere Bands an diesem Abend waren Hellraiser Ten mit einem etwas durchwachsenen Elektromix von Comfort & Rage, Noice von den Highway Child, die schwermetaller von The Psyke Project und noch mehr Elektronik von My Name is Legion. Sehr guten Anklang fand Codys Co–Producer Troels Høeghs Band The Ondt and the Gracehoper – deren myspace-Seite einem jeden Leser ans Herz zu legen ist – mit einer formidablen Coverversion von Your Window: „Half the way we´re good with the wind / The rest of it / We´re blown / Blown away within“.

Um kurz nach zehn verstreut sich das Publikum in alle nächtlichen Himmelsrichtungen, dem kopenhagener Winter einen Tag näher, doch in dieser Nacht doch noch voller Hoffnung.

Cody: Songs (Slow Shark Records), VÖ: 14.9.2009

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Der Début-Longplayer von der Band um Kasper Kaae zeugt von Reife und Souveränität – und hätte gerne etwas mutiger ausfallen können.

Hast du schon die Erinnerungen an diesen Sommer in deinem kleinen Büchlein verewigt? Hast du es versiegelt und ganz unten in die Schreibtischschublade gelegt, dort wo du es nie wieder hervorkramen wirst? Haben die letzten Regenwochen den Festivalstaub von deiner Haut gewaschen und wartest du nun darauf, dass die Tage kürzer und die Nächte kälter werden?

Streifst du jetzt wieder durch die Stadt der Könige, dort wo die Straßen von Friday Fashion Show Teenagern bevölkert werden, die auf der Suche nach Pharmazeutika, Sex, schlechter Musik und substantiellen Jugenderinnerungen sind? Erinnerungen, die irgendetwas bedeuten könnten?

Wirst du später heut Nacht wieder in demselben alten Nachtbus sitzen, ohne Karte und mit nichts weiter als einem Franskhotdog und enttäuschten Erwartungen im Bauch?

Ich hoffe, du hast wenigstens deinen iPod am Start.

Große Erwartungen

Nach ihrer im Januar veröffentlichten, von den dänischen Musikjournalisten in den höchsten Tönen gelobten EP, stehen Cody jetzt in den Startlöchern mit ihrem ersten Longplayer, ganz einfach Songs betitelt. Auf Konzerten in der Trinitatis und der Brorsons Kirche, im Huset på Magstræde, im Rust, in Brooklyn, NY und, vor nicht allzu langer Zeit, in Roskilde Festivals Junior Pavillion haben sie ihr neues Material der Öffentlichkeit präsentiert.

Folk, Anti-Folk, Country, Blues: Es gibt keine Genrebezeichnung, die noch nicht auf Cody gemünzt wurde, doch im Innersten ist es ganz einfach der Singer/Songwriter Kasper Kaae mit einer Gitarre, um den sich ein inzwischen 7-mannstarkes  Live-Orchester gescharrt hat.

Und endlich sitzt man mit diesem melancholischen Stück Musik in der Hand, von der man sich erwartet, dass sie einen durch die Depressionen des kommenden Winters leiten kann – nichts weniger als das.

Der erste Song, Remember When, fängt ganz zart an mit einer akustischen Gitarre, einer Mundharmonika und den Linien „I thought of you / The wintersky / The darkest blue“, bestimmt so den Ton für den Rest der Platte. Kurz darauf folgt mit Down In The Dark bereits der ersten Höhepunkt: „Lost my shoes in the mud/ Cold with bare feet I walk / Thinking I am out of place / In the fall through loneliness” – Roskilde-Erinnerungen, Kasper?

Es ist einfach sich in Kasper Kaaes fast fragmentarischen Texten wiederzufinden. Zwischen verharrendem Weltschmerz und eskapistischer Lebensbejahung, etwas zu müde, doch immer noch wach nach dem vielen Kaffee, den Zigaretten und immer zu betrunken oder zu nüchtern,  ohne je die richtige Balance zu finden: „I write `bout things I care about / Though they might seem wrong“

Nach dem etwas unzufrieden zurücklassenden Ever Go und dem wehmutigen I Want You, erreicht Kaaes Straßenpoesie in The Light neue, ungeahnte Höhen: „There is a light that keeps on shining / From a far-off place by the town / Where they sit up all night writing / About little things in life / We can go there“ und er nimmt uns an die Hand, führt uns an diesen Ort, an der Peripherie der Stadt. Ein-zwei Gitarre, ein Cello und Line Feldings großartige Backgroundstimme sind genug, um diesen Ort zu visualisieren. Die Drums setzten erst spät ein, zusammen mit der Trauer, die mit diesem Ort verbunden wird: „And the river of worries runs from there / Leaving us behind“.

Die Nummer Catch the Straw ist seit Monaten von Codys Livekonzerten und ihrem Myspace bekannt und hat bereits jetzt einen Klassikerstatus inne: „Take a step into the wildlife / That is what you´ve hungered for / You had a bad year / Take the step / And I will even love you more / That is what I´ve hungered for / We can make days change”. Man summt mit, nickt im Tackt, lässt das Jahr Revue passieren zu Kasper Kaaes varmer Stimme. „I bought a Box / And in it was a rock guitar / To write you songs not heard before / They turned out the same”. Gottseidank hast du den Kasten gekauft, Kasper! Obwohl, doch vielleicht auch eben weil, sich die Lieder anhören, als hätte man sie schon zig-mal gehört.

Kleine Enttäuschung

Aber, ach! Irgendwie wirkt die ganze Platte zu souverän. Als wären Cody schon seid 20 Jahren gemeinsam mit R.E.M. und U2 auf Tour und als hätten sie etwas von ihrem Charme unterwegs liegengelassen. „Songs“ wird ganz sicher ein Hit. Die kleine Handvoll alternativer Radiostationen in Dänemark werden Catch the Straw rauf und runter spielen, Simon Lund von Politiken und die Kritiker von Gaffa und Soundvenue werden sie lieben. Ihre Konzerte werden mit der Zeit ungeahntes Publikum anziehen.

Das ganze erinnert doch sehr an die letztjährige Platte des Choir of Young Believers, der, nach einer fantastischen ersten EP, auch den sicheren Weg wählte. Etwas mehr Verspieltheit und eine klein wenig mehr Abenteuerlust hätte „Songs“ gut zu Gesicht gestanden.

Releaseparty am 12.9.2009, Huset i Magstræde

Cody auf Myspace